15. August 2016 | Robert-Bosch-Krankenhaus
Hitze schlaucht vor allem schwächere ältere Menschen
Niedrigerer Blutdruck, reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit und geringere Teilhabe am sozialen Leben können bei älteren Menschen die Folgen von Hitzewellen sein. Die Klinik für Geriatrische Rehabilitation am Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) in Stuttgart hat die Risiken von Raumtemperatur bei Hitze für ältere Menschen untersucht und zeigt Maßnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen Bedingungen auf.
Langandauernde Hitze führt bei vielen Menschen zu gesundheitlichen Problemen. Die Hitzewellen im Sommer 2015 haben gezeigt, dass auch in unseren Breitengraden vermehrt mit heißen Sommern zu rechnen ist. Diese Temperaturen stellen besonders ältere Menschen und Kleinkinder vor gesundheitliche Herausforderungen. Eine Forschungsgruppe der Klinik für Geriatrische Rehabilitation am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart hat darum im Rahmen des vom Land Baden-Württemberg finanzierten Programms „Klimawandel und modellhafte Anpassung in Baden-Württemberg – KLIMOPASS“ die Risiken von Raumtemperatur bei Hitze für ältere Menschen untersucht.
Hitze kann das Sturzrisiko erhöhen und den Blutdruck absenken
Über einen Zeitraum von einem halben Jahr erhielten 83 Bewohnerinnen und Bewohner in zehn Einrichtungen des Betreuten Wohnens in Stuttgart im Vierwochenrhythmus Besuche der RBK-Mitarbeiter. Während der beiden Hitzewellen im Juli und August 2015 fanden zusätzliche Besuche statt. In Abhängigkeit der Raumtemperatur wurden Blutdruck, körperliche Leistungsfähigkeit, Bekleidung, Trinkverhalten und soziale Teilhabe erfasst. Es zeigte sich, dass die Hitze besonders für schwächere ältere Menschen eine außerordentliche Belastung darstellt. „Mit erhöhten Temperaturen sank der Blutdruck. Schwächere Menschen nahmen deutlich weniger am sozialen Leben teil und wiesen eine reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit auf. Damit erhöht sich für diese Menschen auch das Sturzrisiko“, berichtet Dr. Ulrich Lindemann von der Klinik für Geriatrische Rehabilitation. „Zudem hatten einige ihr Trinkverhalten oder die Bekleidung nicht in angemessener Weise den Temperaturen angepasst.“ Da ältere Menschen die Hitzebelastung oft nicht rechtzeitig erkennen und nicht realistisch einschätzen, sollten Ärzte, Pflegekräfte und Angehörige aktiv werden, meint Dr. Lindemann: „Wer ältere Angehörige hat, sollte darauf achten, dass bei Hitze geeignete Maßnahmen rechtzeitig getroffen werden. Dazu gehört nicht nur der Aufenthalt in kühleren Räumen, sondern vor allem auch entsprechende Kleidung und ausreichendes Trinken. Eventuell müssen auch die Medikamente angepasst werden. Zur Verbesserung der Hitze-Widerstandsfähigkeit und auch zur Senkung des Sturzrisikos empfehle ich die Aufnahme eines Trainings mit den Schwerpunkten Balance und Kraft.“
Als Akutmaßnahme bei einer Hitzebelastung testeten die Forscher im Projektverlauf auch den Einsatz von Kühlwesten, die sonst im Leistungssport und Militär Verwendung finden. „Die Mehrheit der Nutzer und Pflegekräfte haben die Kühlwesten als sinnvoll, effektiv und angenehm bewertet“, so Dr. Lindemann. Das Robert-Bosch-Krankenhaus setzt Kühlwesten jetzt im Sommer bei Patientinnen und Patienten der Klinik für Geriatrische Rehabilitation ein.
Hitzewarnmeldungen beachten
„Bei unseren Erhebungen zu Hitzeauswirkungen in den Einrichtungen des Betreuten Wohnens zeigte sich, dass anstehende Hitzewellen zwar erkannt werden, dies aber bisher kaum zur Umsetzung von strukturierten Handlungsplänen führt“, sagt Prof. Dr. Clemens Becker, Leiter der Klinik für Geriatrische Rehabilitation am RBK. „Wir empfehlen den Einrichtungen, die Hitzewarnmeldungen des Deutschen Wetterdienstes zu nutzen und entsprechende Handlungspläne in ihren Häusern zu implementieren.“ Dies gelte natürlich auch im privaten Bereich, denn der Deutsche Wetterdienst stellt seine Warnmeldungen öffentlich auf seiner Website und auch als App zur Verfügung.
Hitzeentlastung bei Neubauten berücksichtigen
Parallel untersuchten Architekten des Instituts für Wohnen und Einrichten der Universität Stuttgart 30 Einrichtungen des Betreuten Wohnens. Sie erfassten die baulichen Gegebenheiten, die eine Kumulation von Hitze begünstigen oder verhindern. Die Auswertungen zeigen, dass kurz- und mittelfristige Maßnahmen die Wohnsituation der Bewohner verbessern können. Beispiele solcher Maßnahmen sind die Umrüstung auf automatisierte Jalousien und die Begrünung und Schattierung von gemeinschaftlichen Bereichen. Die teilnehmenden Einrichtungen können nun anhand des Projektberichtes die für sie möglichen Maßnahmen umsetzen. Das Institut für Wohnen und Einrichten der Universität Stuttgart berücksichtigt bei Empfehlungen für zukünftige Neubauten auch die Gebäudeform. Atriumbauten seien zu bevorzugen und bei der Lage sollte möglichst die räumliche Nähe zu Grünanlagen gegeben sein. „In jedem Fall sollte ein klimatisierter ‚Hitzeentlastungsraum‘ eingeplant werden“, rät Daniela Keck, Architektin am Institut für Wohnen und Einrichten.
Die Projektergebnisse zeigen insgesamt mehrere Handlungsmöglichkeiten an unterschiedlichen Ansatzpunkten und für unterschiedliche Akteure auf, um die gesundheitliche Situation älterer Menschen bei Hitze zu verbessern. In Zusammenarbeit mit Ärzten und ambulanten Pflegediensten werden nun im nächsten Schritt Umsetzungsmöglichkeiten dieser Handlungsansätze diskutiert. In einem beim Bundesgesundheitsministerium beantragten Projekt möchte Prof. Becker dann die Handlungsempfehlungen und deren Umsetzung in einen neuen Leitfaden zur Verbesserung der ambulanten Versorgung älterer Menschen bei Hitze einfließen lassen.
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Informationen zur App des Deutschen Wetterdienstes:
www.dwd.de/DE/leistungen/warnwetterapp/warnwetterapp.html
Informationen zum Forschungsprogramm:
Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg
Programm Klimawandel und modellhafte Anpassung in Baden-Württemberg – KLIMOPASS: www4.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/244199/
Der Abschlussbericht zum Projekt „Risiken von Raumtemperatur bei Hitze für ältere Menschen in Stuttgart“ (Projektnr. 412311) kann erst nach Projektabschluss (31.10.2016) zur Verfügung gestellt werden unter: www4.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/244200/

Quelle: Robert-Bosch-Krankenhaus
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