Immunthrombozytopenie
Eine Immunthrombozytopenie ist eine Autoimmunerkrankung. Dabei bildet das Abwehrsystem Antikörper, welche die Thrombozyten zerstören und ihre Neubildung im Knochenmark beeinträchtigen.
Die Immunthrombozytopenie, kurz ITP, kann einen akuten oder chronischen Verlauf nehmen. Die akute Verlaufsform beginnt plötzlich und verschwindet nach wenigen Wochen oder Monaten von selbst wieder. Im Kindesalter verlaufen achtzig bis neunzig Prozent aller ITP-Erkrankungen akut. Die chronische Form bleibt über Monate bis Jahre, mitunter sogar lebenslang bestehen. Sie ist die typische Verlaufsform der ITP bei Erwachsenen.
Unsere Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin ist spezialisiert auf die Therapie von Patientinnen und Patienten mit Erkrankungen des Blutes.
Warum das Immunsystem die Antikörper gegen die Thrombozyten ausbildet, ist bislang nicht geklärt. Bei der chronischen Form wird derzeit eine Störung der T- und B-Lymphozyten – körpereigener Abwehrzellen – diskutiert. Bei der akuten Form trat im Vorfeld häufig eine Virusinfektion auf. Ob diese ursächlich sein könnte, ist allerdings nicht bekannt.
Da die Thrombozyten, umgangssprachlich Blutplättchen genannt, eine wesentliche Rolle bei der Blutgerinnung spielen, kann sich ein Mangel dieser Zellen in Blutungen an der Haut und in den Schleimhäuten äußern. Diese Blutungen treten in unterschiedlichen Ausprägungen auf. Es gibt punktförmige, stecknadelkopfgroße Blutungen, sogenannte Petechien, an den Beinen und/oder der Mundschleimhaut sowie flächige Blutungen an den Schleimhäuten von Nase, Zahnfleisch oder im Magen-Darm-Trakt. Weiterhin zeigen Betroffene eine verstärkte Neigung zur Bildung von Blutergüssen und haben oftmals Blut im Urin. Bei weiblichen ITP-Patient:innen kann es zu stärkeren Periodenblutungen kommen. Sehr selten, bei zwei bis drei Prozent der betroffenen Personen, treten schwere und lebensbedrohliche Blutungen in inneren Organen wie Milz, Leber, Nieren und Lunge auf.
Untersuchungen bei Immunthrombozytopenie
Besteht der Verdacht auf eine ITP, folgt auf die ausführliche Anamnese eine gründliche körperliche Untersuchung. Eine Blutanalyse sowie die Untersuchung des Blutausstriches liefern uns dann weitere Hinweise über mögliche krankhafte Veränderungen der Blutzellen. Bevor die Diagnose jedoch gestellt werden kann, müssen alle anderen Ursachen für die Thrombozytopenie, die Verringerung der Thrombozytenzahl, ausgeschlossen sein.
Behandlung einer Immunthrombozytopenie
Ziel der ITP-Therapie ist es, schwere und möglicherweise lebensbedrohliche Blutungen zu verhindern und die Lebensqualität der Patient:innen zu verbessern.
Die Behandlung der ITP erfolgt in Schritten. Die erste Station nach der Diagnose ist die Erstlinientherapie. Ist die Behandlung mit den Medikamenten der Erstlinie nicht erfolgreich, können weitere Therapieversuche mit sogenannten Zweitlinienmedikamenten unternommen werden. Lassen sich auch mit diesen Möglichkeiten die Thrombozytenzahlen nicht dauerhaft anheben und treten immer wieder belastende Blutungen auf, wird der Einsatz von Medikamenten der Drittlinie in Betracht gezogen.
Die Erstlinientherapie besteht in der Gabe von Kortikosteroiden. Dabei handelt es sich um Medikamente, welche die Zerstörung der Thrombozyten durch das eigene Immunsystem drosseln sollen. Sie führen meist bereits nach wenigen Tagen zu einem Anstieg der Blutplättchen – dieser hält jedoch nicht langfristig an. Nach zwei bis drei Wochen wird die Dosis reduziert und die Therapie nach zwei bis drei Monaten langsam wieder beendet („ausgeschlichen“).
Muss die Blutplättchenzahl besonders schnell angehoben werden, etwa wenn schwere Blutungen auftreten, können wir zusätzlich zur Kortikosteroid-Therapie intravenös Immunglobuline geben. Immunglobuline sind Antikörper, die den vorzeitigen Abbau der Blutplättchen verhindern.
Durch die Maßnahmen der Erstlinientherapie kommt es nur bei rund zwanzig Prozent der Patient:innen zu einem dauerhaften Rückgang der Symptome. Bei den restlichen Betroffenen wird deshalb zur Zweitlinientherapie übergegangen.
Die Zweitlinientherapie umfasst mehrere Optionen, die je nach individueller Blutungsneigung und Ansprechen auf die Behandlung miteinander kombiniert werden können.
Bei gutem, aber nicht ausreichendem Erfolg der Erstlinientherapie kann ein Versuch mit einem stärkeren Kortison erfolgen. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten (TRA). Sie stimulieren die Bildung von Blutplättchen im Knochenmark. Bei etwa achtzig Prozent der Patient:innen wird durch TRA ein ausreichender Anstieg der Thrombozyten erreicht.
Die nächste Therapieoption besteht in der Gabe vonMilz-Tyrosinkinase-Hemmern. Sie blockieren die Aktivität des Enzyms namens Milz-Tyrosinkinase, das unter anderem eine wichtige Rolle beim Abbau von Thrombozyten in der Milz spielt.
Sprechen Patient:innen auch auf die Zweitlinientherapie nicht an oder erleiden sie immer wieder einen Rückfall, wird auf Immunsuppressiva zurückgegriffen. Sie unterdrücken die Aktivität des Abwehrsystems und können so den übermäßigen Abbau von Blutplättchen eindämmen.
Operative Entfernung der Milz bei Immunthrombozytopenie
Die operative Resektion der Milz kommt heute nur noch in Betracht, wenn alle medikamentösen Behandlungsoptionen ausgeschöpft sind und bei den Patient:innen wiederholt schwere Blutungen auftreten. Da der Abbau der Blutplättchen überwiegend in der Milz stattfindet, bewirkt ihre Entfernung eine rasche und oftmals dauerhafte Erholung der Thrombozytenzahl. Da die Milz jedoch wichtige Aufgaben im Immunsystem innehat, besteht nach ihrer Resektion eine lebenslang erhöhte Anfälligkeit für Infekte.
Die Entfernung der Milz wird von den Expert:innen der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Robert Bosch Krankenhaus durchgeführt.